Der fünfte Salon März 2018

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SAPPhOs Salon auf Wanderschaft – Gemeinschaftlich Wohnen aber wie?!?

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Jeden 4. Sonntag im Montag veranstaltet das FLIP (Frauenliebe im Pott) ein Lesbenfrühstück im Beginenhof Essen. Im März 2018 war dort unsere Veranstaltungsreihe SAPPhOs Salon aus dem Beginenhof in Berlin zu Gast. Nachdem alle der etwa 40 anwesenden Lesben ihren Frühstückshunger gestillt hatten, referierte Dr. Astrid Osterland zu ihrem Leib und Magenthema: Gemeinschaftlich Wohnen, aber wie… !?!
Denn viele, insbesondere ältere Lesben überlegen, in ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu ziehen. Der Wunsch, aufgehoben in einer Gemeinschaft, zugleich für sich und trotzdem nicht allein zu sein, das wünschen sich viele von uns. Doch wie geht das mit der Gemeinschaft?
Astrid Osterland, selbst in dem Frauenwohnprojekt Beginenhof Berlin lebend (mit rund 50 Frauen) ist seit vielen Jahren begeisterte „Überzeugungstäterin“ in Sachen gemeinschaftliches Wohnen. Vorausgesetzt jedoch, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Lesben sind vielfältig und diese Vielfalt unter einen gemeinschaftlichen Hut zu kriegen, ist nicht so einfach, wie die meisten sich das wünschen, so ist Astrids Fazit: „Wer die Vielfalt preist, sollte rechtzeitig an den Brückenbau denken“. Bei der Planung eines Wohnprojekt ist bereits im Vorfeld wichtig, den Umgang mit auftretenden Konflikten einzubeziehen. „Denn die Art, wie wir miteinander reden ist genauso wichtig wie das Was und worüber gesprochen wird.“ So muss jede, die sich in ein Wohnprojekt begibt wissen, dass es sich um ein Lernfeld handelt, mit dem frau sich auch beschäftigen muss. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Kommunikationsweisen.
Astrid dazu: „Je mehr wir mit einander zu tun haben, desto mehr können wir auch einander antun.“ „Konflikte sind so sicher, wie das Amen in der Kirche“ und es gilt zu verhüten, dass sich aus Unachtsamkeit und Rechthabenwollen ein „sozialer Flächenbrand“ entwickelt, der das ganze Projekt auf eine Zerreißprobe stellen kann.
Was also bereits im Vorfeld tun? Astrid empfiehlt zunächst, sich selbst die Frage zu stellen: Was möchte ich von einer Gemeinschaft? Und als zweites: Was bringe ich in die Gemeinschaft ein?
Weiterhin ist es wichtig, wenn sich eine Gruppe bildet, von Anfang an eine Kultur der Kommunikation zu entwickeln. Dazu gehört u.a. Klarheit darüber, wie jede sich Gemeinschaft wünscht, Regeln in der Kommunikation und funktionierende transparente Entscheidungsstrukturen.
Dazu gehört auch die Bereitschaft, anderen zuzuhören, nicht alles persönlich zu nehmen, die eigenen Anteile zu sehen, das Ganze im Blick zu behalten und nicht in Polarisierung und Parteienbildung zu verfallen. „Wenn eine gewinnt, haben zwei verloren“. Zu leicht sind in der „allgemeinen Gemengelage immer die anderen Schuld an den eigenen Problemen und Kompromisse sollen am besten nur die anderen machen“.
Astrid rät im Konfliktfall zu moderierter verständigungsorientierter Kommunikation. Brückenbau funktioniert jedoch nur, wenn beide Seiten daran arbeiten wollen.
In den vielen Jahren Berufserfahrung sowie Praxis des gemeinschaftlichen Wohnens hat Astrid viel erlebt, was nicht gut funktioniert: „Die Illusionen von heute sind die Probleme von morgen.“ Darum liegt ihr viel daran, das Gelingen von Gemeinschaft zu fördern. Wichtig ist es, Vertrauensräume zu schaffen – auch „wenn das Vertrauen ein scheues Reh ist“, das leicht wieder verschwinden kann.

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Trotz aller Gefahren birgt das gemeinschaftliche Wohnen tatsächlich viele der Chancen und Qualitäten, die eine sich erhofft. Und es ist in der Praxis auch nicht möglich, alles perfekt im Vorfeld abzuchecken. Eine Portion Glück und Stimmigkeit gehört, wie in der Liebe, auch dazu.
Astrid hält Vorträge und berät im Raum Berlin Wohngruppen (u.a. die Rut-Wohnprojektfrauen), sie ist per Mail unter a.osterland@sappho-stiftung.de erreichbar.